Bushido und der Abou-Chaker-Clan: eine Never-Ending-Story
Dieses Bild entstand im August 2020, zu Beginn des Prozesses: Anis Mohamed Youssef Ferchichi, bekannt als Rapper Bushido, sitzt in einem Saal des Landgerichts Berlin. Bis heute gibt es kein Urteil.
© Quelle: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/Pool
Wie? Die stehen immer noch vor Gericht?
Ja, das tun sie. Und wer bei der Nachricht „Clanchef Arafat Abou-Chaker muss 2,2 Millionen Euro an Bushido zahlen“ vor knapp einem Monat dachte, nun ist das Prozesswirrwarr um Rapper Bushido (44) und seinen früheren Geschäftspartner, Clanchef Arafat Abou-Chaker, endlich zu Ende, hat weit gefehlt. Denn dabei handelte es sich nur um einen Zivilprozess, in dem sich Bushido erfolgreich gegen eine Klage von Abou-Chaker wehrte, der ihm nach Gerichtsangaben mehrere Rechnungen gestellt hatte, mit denen er Anteile an den Einnahmen des Rappers verlangte.
Strafprozess seit fast drei Jahren
Der Strafprozess hingegen, der am 17. August 2020 startete, zieht sich weiter hin. Seit fast drei Jahren und insgesamt 96 Verhandlungstagen. An diesem Mittwoch steht der 97. an.
Das Leben und wir
Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Bei der Eröffnung des Gerichtsverfahrens damals war das Medieninteresse riesig, die Erwartung an ein schnelles Urteil groß. Ein bekannter Rapper und ein Clanchef vor Gericht, das sorgte für viel Aufmerksamkeit.
Doch mittlerweile beschäftigt die Trennung des Rappers und des Clanchefs die Berliner Justiz schon so lange, dass die Öffentlichkeit sich eher auf andere Dinge konzentriert. Sogar wer sich für Bushido interessiert, denkt gerade eher an dessen Umzug nach Dubai, den zweiten Heiratsantrag an seine Frau Anna-Maria Ferchichi oder ihr Leben mit ihren zahlreichen Kindern anstatt an die Gerichtsverhandlung. Genug Stoff liefert der Rapper allemal.
Kein Wunder, dass viele den Überblick bei dem Never-Ending-Gerichtsprozess verloren haben. Worum ging es da überhaupt nochmal? Und warum dauert das alles so lange?
Hier nochmal die Fakten: Die Staatsanwaltschaft wirft Clanchef Arafat Abou-Chaker und außerdem dreien seiner Brüder unter anderem Freiheitsberaubung, versuchte schwere räuberische Erpressung, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Untreue vor. An einem Januartag im Jahr 2018 sollen sie Bushido dessen eigenen Angaben zufolge eingesperrt und mit einer Flasche und einem Stuhl beworfen haben. Zu den mutmaßlichen Taten soll es gekommen sein, nachdem Bushido die Beziehungen zu seinem Manager aufgelöst hatte. Das soll der Clanchef demnach nicht akzeptiert haben.
Bushido ist Zeuge und Nebenkläger
Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi, ist Zeuge und Nebenkläger in dem Prozess. Ein Großteil der Vorwürfe basiert auf seinen Aussagen. Dazu kam ein Tondokument, das Anfang 2022 aufgetaucht war, und über dessen Authentizität seitdem gestritten wird. Es soll heimlich bei einem Treffen des Rappers und seines Ex-Managers an dem Tag angefertigt worden sein, den die Anklage als Tattag nennt.
Anfang April, rund 14 Monate nach dem Auftauchen des Tondokuments, lag dem Landgericht Berlin dann ein Gutachten zu dessen Authentizität vor. Der österreichische Sachverständige, der es erstellt hat, soll im Prozess vernommen werden und seine Untersuchung darlegen, hieß es. Und heißt es rund sieben Wochen später immer noch: „Der Sachverständige wurde noch nicht vernommen. Wann die Vernehmung stattfinden wird, steht derzeit noch nicht fest“, teilt Christina von Bothmer, Vorsitzende Richterin am Landgericht und Stellvertretende Sprecherin der Berliner Strafgerichte, an diesem Montag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit. Aus organisatorischen Gründen sei eine Vernehmung bisher nicht möglich gewesen.
Ist die Tondatei echt oder nicht?
Bushidos Anwalt, Steffen Tzschoppe, sieht sich währenddessen durch das vorläufige Gutachten bestätigt. Nach dem Fazit des Audioeexperten sei „der Datei mit vorsichtiger Skepsis zu begegnen“, sagte Tzschoppe Anfang April der Deutschen Presse-Agentur. Die Datei sei für ihn schon immer eine Fälschung gewesen, um seinen Mandanten zu diskreditieren. Der Verteidiger von Abou-Chaker, Hansgeorg Birkhoff, wies dies zurück. Aus Sicht der Verteidiger des Clanchefs und drei seiner Brüder widerlegt die rund zweistündige Tondatei die Darstellung von Bushido.
Bushido und sein Anwalt haben die Echtheit der Datei von Anfang an bezweifelt. Es gebe technisch und inhaltlich viele Auffälligkeiten, so Bushido in einer mehrtägigen Befragung zu dem Mitschnitt. Nun bleibt weiter abzuwarten, ob der Gutachter diese Auffassung teilt und eine Manipulation nachweisen kann.
Rapper Shindy meldete sich als Zeuge krank
Ein Urteil ist damit weiterhin nicht in Sicht. Weitere Verhandlungstermine sind erstmal bis zum 26. Juli festgelegt, bestätigt von Bothmer vom Landgericht Berlin dem RND. An diesem Mittwoch sollen zwei Zeugen vernommen werden, mehr Informationen und auch ein Programm für die weiteren Termine gibt es bisher nicht.
Einer der Gründe für die lange Prozessdauer ist offenbar auch, dass Zeugen immer wieder kurzfristig nicht erscheinen. Dies war auch im April wieder der Fall: So gab Rapper Shindy an, krank zu sein. Der Musiker, mit bürgerlichem Namen Michael Schindler, sollte eigentlich zu der heimlich aufgenommenen Audiodatei befragt werden. Gegen Shindy war zuvor bereits ein Ordnungsgeld verhangen worden, weil er zu einem früheren Zeitpunkt im Prozess als Zeuge geschwiegen hatte.
Nun schwieg er auf andere Art. Was dahintersteckt und ob er wirklich krank ist: unklar. Wie so vieles in diese Prozess.
mit dpa