Konzept der 15-Minuten-Stadt

Die schrumpfende Weltstadt: Was Paris gegen seinen Bevölkerungsschwund unternehmen will

Trotz haufenweise Postkartenmotiven: Paris verliert vor allem Familien mit Kindern – weil die Stadt bei vielen Französinnen und Franzosen als stressig, stark verschmutzt und teuer gilt.

Trotz haufenweise Postkartenmotiven: Paris verliert vor allem Familien mit Kindern – weil die Stadt bei vielen Französinnen und Franzosen als stressig, stark verschmutzt und teuer gilt.

Paris. Die Pariser kehren ihrer Stadt mehr und mehr den Rücken. Zwischen 2012 und 2022 zogen fast 123.000 Menschen weg. Mit 2,1 Millionen Menschen auf 105 Quadratkilometern handelt es sich zwar weiterhin um eine der am dichtesten bewohnten Metropolen weltweit. Doch der Bevölkerungsschwund beunruhigt das Rathaus, zumal es sich bei den Abtrünnigen vor allem um Familien mit Kindern handelt. Immer mehr Schulklassen müssen schließen. Die Hauptstadt, die im Ausland oft als Sehnsuchtsort verklärt wird, gilt vielen Französinnen und Franzosen als teuer, stark verschmutzt und stressig.

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Eine der Lösungen, mit denen Bürgermeisterin Anne Hidalgo dem Trend entgegenwirken will, besteht im Konzept der 15-Minuten-Stadt. Es setzt auf eine dezentrale Organisation, um den Menschen mehr Lebenszeit zu schenken, die sie nicht in Staus verbringen müssen. Von jedem Ort aus soll innerhalb von einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad alles erreichbar sein, was sie im Alltag brauchen: Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, Arbeit, Schulen und Kindergärten, Restaurants, Vereine, Grünflächen und kulturelle Angebote.

„Das Projekt darf sich nicht nur auf die Schaffung neuer Strukturen konzentrieren, sondern zielt vor allem auf die Optimierung der schon existierenden ab“, heißt es seitens des Rathauses. „Zum Beispiel können Schulen am Wochenende als Orte zum Lesen und Spielen geöffnet werden.“ Angedacht ist auch die Schaffung von „Sport Social Clubs“, in denen Eltern Sport machen und zugleich ihre Kinder betreuen lassen können.

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Paris 15-Minuten-Konzept hat auch Grenzen

Entwickelt hat das Konzept der 15-Minuten-Stadt der Franko-Kolumbianer Carlos Moreno, Professor für Urbanismus an der Universität Paris I. Er wies aber auch darauf hin, dass es sich nicht um eine Art „Zauberformel“ handele, sondern die Maßnahmen an die lokalen Gegebenheiten jeder Stadt angepasst werden müssen. „Paris ist eine Weltstadt mit einem Ungleichgewicht zwischen Osten und Westen, Norden und Süden“, gab er zu bedenken. Hinsichtlich der Unterschiede zwischen den Vierteln bei der Wirtschaftskraft, den Wohnbedingungen und den vorhandenen Arbeitsplätzen seien Ausgleichsmaßnahmen notwendig.

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Viele Experten kritisieren Morenos Ansatz. Alles drehe sich um die Stadtbewohner, aber es gebe doch auch Touristen, Studenten, Arbeiter, sagte Jean-Marc Offner, Direktor einer Urbanismus-Agentur in Bordeaux: „Indem man das Lokale überbetont, leugnet man das Hauptkapital einer Metropole: die Vielfalt.“ Jean Naem, Spezialist für sozialen Wohnungsbau, betont, dass nicht alle Berufstätigen im Home-Office arbeiten könnten, von den Essenslieferanten bis zu Putzkräften. „Wenn dann noch das Verbot hinzukommt, mit einem Diesel- oder einem älteren Fahrzeug in die Innenstädte zu fahren, erreicht der Ausschluss mancher Gruppen seinen Gipfel.“

170.000 neue Bäume, ein Park am Champs-Élysées und fahrradfreundliche Straßen

Anne Hidalgo hingegen argumentierte, es gehe „um die ökologische Wende der Stadt, während zugleich das Alltagsleben der Pariser verbessert wird“. Sie machte aus dem Ausbau der Radwege und der Schaffung von mehr Raum für Fußgänger eine Priorität. Fahrzeuge, allen voran jene mit hohem CO₂-Ausstoß, werden aus dem Zentrum verdrängt. Bis 2026 will sie alle Straßen der französischen Hauptstadt fahrradfreundlich machen. Immer mehr Bereiche im Zentrum werden für den Autoverkehr gesperrt und können nur noch von Taxis, Bussen, den Fahrzeugen von Anwohnern sowie Feuerwehr-, Kranken- und Polizeiwagen befahren werden.

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Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, ist seit Jahren darum bemüht Frankreichs Hauptstadt grüner und fahrradfreundlicher zu gestalten.

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, ist seit Jahren darum bemüht Frankreichs Hauptstadt grüner und fahrradfreundlicher zu gestalten.

Auch ließen Hidalgo und ihr Vorgänger Bertrand Delanoë die unteren Ufer der Seine für den Verkehr schließen. Heute flanieren hier Fußgänger, Cafés und Spielplätze entstanden. Zudem hat die Bürgermeisterin das Ziel ausgegeben, in ihrer zweiten Amtsperiode bis 2026 weitere 170.000 neue Bäume pflanzen zu lassen, während es in der ersten 20.000 waren. Große Plätze werden umgestaltet und begrünt, auch am Boulevard Champs-Élysées entsteht ein großer Park, damit das Viertel nicht nur für Touristen attraktiv ist, sondern auch für die Stadtbewohner, die künftig weniger Gründe haben sollen, Paris zu verlassen.

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