Mit Erpressung gibt es keinen Klimaschutz
Eine Protestaktion der Letzten Generation in Berlin-Schöneberg.
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Demokratie bedeutet, um Mehrheiten zu ringen und Entscheidungen zu akzeptieren, wenn man unterlegen ist. Sie steht für den Schutz von Minderheiten, für Freiheit, für Gleichheit vor dem Gesetz. Sie ist die beste aller Staatsformen. Für alle. Auch für die sogenannte Letzte Generation, die mit schwarzer Farbe die gläsernen Grundrechtsartikel vor dem Bundestag beschmiert hat. Denn diese Grundrechte sichern ihre Versammlungs- und Meinungsfreiheit.
Kevin Kühnert zieht ein vernichtendes Fazit für die Letzte Generation
Die Letzte Generation versucht durch Proteste Einfluss auf den Klimaschutz zu nehmen. Kevin Kühnert bezweifelt, dass die Aktionen Deutschland voranbringen.
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Demokratie bedeutet nicht, dass sich aus der Freiheit der Meinungsäußerung ableiten lässt, auch Recht zu bekommen, wenn man nur laut genug schreit oder Kartoffelbrei über ein Gemälde von Claude Monet kippt. Man hat nicht einmal Anspruch darauf, dass sich andere überhaupt anhören, was man sagt. Man kann immer nur werben, mahnen, erklären, demonstrieren, Mehrheiten suchen und durch Wahlen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Oder sich selbst zur Wahl stellen.
Demokratie ist anstrengend
Niemand kann etwas befehlen, nicht einmal der Bundeskanzler. Entscheidungen obliegen dem Mehrheitswillen der Volksvertreterinnen und Volksvertreter vom Gemeinderat bis zum Bundestag. So anstrengend ist Demokratie.
Was die Letzte Generation macht, ist Erpressung. Sie achtet nicht die Freiheit der anderen, die auf dem Weg zur Arbeit sind, Essen auf Rädern bekommen oder eine Wärmepumpe einbauen wollen. Sie hindert sie daran und schränkt damit deren Rechte ein. Diese kleine Gruppierung nimmt eine breite Masse in Mithaftung für politische Versäumnisse, anstatt sie mitzunehmen, um gegen politisches Versagen anzukämpfen. Sie ignoriert, dass viele Menschen weder Zeit noch Geld noch den Willen haben, so wie sie – vielfach durch Spenden finanziert – Forderungen zu stellen.
„Bekloppte“ Klimaaktivisten: Was der Kanzler denkt – und was er sagt
Olaf Scholz äußert sich so emotional wie nie zum meistdiskutierten Thema des Landes – das wirkt gewollt und populistisch. Der Kanzler sollte seiner sachlichen Art treu bleiben. Er riskiert mehr als sein Image, meint Maximilian König.
Berechtigte Warnungen gehen in der Wut der Bürgerinnen und Bürger unter
Es stimmt nicht, dass die Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) mit ihrem Protest erfolglos ist und deshalb Methoden verschärft werden müssten. Greta Thunberg und ihre Millionen Mitstreiter auf der Welt haben das Bewusstsein längst verändert. Auch das Klimaschutzgesetz der vormaligen großen Koalition fiel besser aus – wenn auch längst nicht gut genug –, weil dieser Druck der Straße da war. Friedlich.
Das Bedauerliche an der jetzigen Eskalation zwischen Staat und der Letzten Generation ist, dass deren berechtigten Warnungen vor der Zerstörung der Umwelt in der Wut untergehen, die sie bei Bürgerinnen und Bürgern auslöst. Und damit erweist sie wiederum jenen einen Bärendienst, die von FFF bis zu den Grünen in der Sache ihrer Meinung sind und sich an den möglichen Schaltstellen von Gesellschaft und Staat unermüdlich einbringen, um Dürren, Überflutungen, Waldbrände, Artensterben zu bekämpfen.
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Olaf Scholz sollte mehr Souveränität zeigen
Demokratie ist aber auch noch etwas anderes: Sie ist verletzlich. Es ist nicht gut, wenn der Bundeskanzler höchstpersönlich einer Vereinigung, die sich schon selbst immer weiter ins gesellschaftliche Abseits manövriert, noch letzte Türen zur Umkehr zuschlägt. Es mag ja sein, dass Olaf Scholz es wie viele andere „völlig bekloppt“ findet, sich an ein Bild oder auf die Straße zu kleben. Aber er ist eben nicht wie viele andere, sondern er regiert dieses Land. In einer ohnehin aufgeheizten Stimmung bei völliger Überforderung vieler Menschen angesichts des russischen Krieges sowie Zukunftsängsten eben auch wegen des Klimawandels braucht es Souveränität der Regierenden.
Und die Letzte Generation muss die demokratischen Rechte so wahren, wie sie auch selbst behandelt werden will. Anders funktioniert das Zusammenleben in einer Gesellschaft nicht. Sonst muss der Staat eingreifen. Sie muss Befürchtungen entgegentreten, dass sie sich kriminalisiert oder von Linksextremisten unterwandern lässt. Denn damit wäre niemandem geholfen. Auch dem Klima nicht.