Wie seriös sind die Angebote?

Ausbildung in der Cannabisbranche: das Geschäft mit der Hoffnung

Bereit für die Legalisierung: Henry Wieker, Erster Vorsitzender des Cannabis Socialclubs Hannover, steht in den Startlöchern.

Bereit für die Legalisierung: Henry Wieker, Erster Vorsitzender des Cannabis Socialclubs Hannover, steht in den Startlöchern.

Das Tor zum weltweiten Cannabismarkt steht in einem kleinen Dorf in Niedersachsen nahe Hannover. In der Werkstatt eines befreundeten Kartoffelbauern bastelt Heinrich Wieker an „Hemp Harvester 1400″, einer Hilfsmaschine zur Hanfernte. „Die geht nach Frankreich“ sagt er und zeigt auf die brusthohe Metallkonstruktion vor dem Schuppen. Die Technologie, mit der die Hanfblüten automatisch vom Stiehl gelöst werden, hat er sich patentieren lassen. Seitdem schickt er die Hanfstiehlentferner auf die verschiedensten Cannabisplantagen der Welt.

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Heinrich Wieker, grauer Bart, Sonnenbrille, gemusterte Mütze, hat sein Hobby zum Beruf gemacht. 2015 gab er seinen Job als Programmierer auf und widmete sich voll und ganz dem Cannabis. 2016 gründete er den Cannabis Social Club Hannover, lange bevor die Bundesregierung ankündigte, dass Cannabis künftig in genau diesen Clubs erhältlich sein soll.

„Mein Leben ist seit dem 12. April ein anderes“, sagt er über den Tag, an dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) die Eckpunkte zur Cannabislegalisierung vorstellten. Von da an war klar, dass Cannabis Clubs als „nicht gewinnorientierte Vereinigungen“ künftig ihre Mitglieder mit Cannabis­produkten aus dem eigenen Anbau versorgen dürfen.

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Branche benötigt Fachpersonal

Wieker erlebt seitdem einen Ansturm auf seinen Club. Das Interesse ist offenbar groß. Nicht nur an den Clubs, sondern auch an der Branche allgemein – obwohl die Hoffnung auf das Geschäft mit dem grünen Gold bereits gedämpft wurde. Ursprünglich sah der Plan der Bundesregierung vor, Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften zu verkaufen, was ein attraktiver Anreiz für Privatunternehmen gewesen wäre. Doch von Anfang an war klar, dass dieser Plan an internationalem und EU-Recht scheitern könnte.

Deswegen soll die erste Säule der Legalisierung nun also in den Cannabis Clubs liegen. Doch auch für diese wird Fachpersonal benötigt. Menschen, die sich mit dem Anbau und der Wirkung der Pflanze auskennen, Aufklärungsarbeit leisten und die Rechtslage verstehen. Noch gibt es kein konkretes Gesetz für die Legalisierung.

Freude unter Konsumenten: Zu Besuch bei einer Kundgebung zur möglichen Cannabislegalisierung
Bereit für die Legalisierung: Henry Wieker, Erster Vorsitzender des Cannabis Socialclubs Hannover, steht in den Startlöchern.

Am Welt-Cannabis-Tag haben zahlreiche Kifferinnen und Kiffer gemeinsam gefeiert. Und dazu haben sie besonders in diesem Jahr allen Grund.

Wie aus einer noch nicht abgestimmten Version des Cannabis-Gesetzentwurfs des Gesundheitsministers hervorgeht, sollen für die Cannabis Clubs strenge Regeln gelten. Dennoch bereiten sich Unternehmen bereits darauf vor, Fachpersonal auszubilden. Immer in der Hoffnung, dass die Aus- und Weiterbildungsprogramme mit der Legalisierung anerkannt werden.

So etwa die Kineo Medical GmbH. Das Medizin-Start-up mit Standorten in Düsseldorf, Frankfurt am Main und Hanau betrieb während der Corona-Pandemie mehrere Testzentren und bezeichnet sich offiziell als Pharmagroßhandelsunternehmen für Cannabisprodukte. Das ausgeschriebene Ziel: „Die illegalen Konsumenten von heute in der Zukunft zu mündigen Verbrauchern zu machen“.

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Dafür schuf das Unternehmen das Ausbildungsprojekt Kineo Campus. Dieser solle „die Fachkräfte der Cannabiswirtschaft von heute und morgen optimal auszubilden“, wie es auf der Webseite heißt. In Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf plane man eine Weiterbildung zum Großhandelsbeauftragen für medizinal Cannabis, erklärt Dennis Cigale, Projektleiter bei Kineo Medical.

Weiterbildung zum Cannabis-Fachkultivierer soll kommen

Die IHK bestätigt auf Nachfrage die Pläne. Ziel des Weiterbildungsprogramms sei es, dass die Teilnehmenden am Ende des Lehrgangs eine Prüfung vor der IHK Düsseldorf ablegen. Der Beginn der Weiterbildung sei für Ende 2023 geplant, heißt es von Seiten der IHK. Allerdings ist es nicht die erste Weiterbildung im Bereich des medizinischen Cannabis. Beispielsweise werden bereits Kurse für medizinisch vorgebildetes Personal im Bereich der cannabinoidbasierten Therapien von verschiedenen Stellen angeboten.

Was sich außergewöhnlicher anhört, ist eine zweite Weiterbildung, die Kineo Medical mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen plant. In Münster wolle man Fachleute zum Cannabis-Fachkultivierer weiterbilden.

Der Lehrgang richte sich an Absolventen einer landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Ausbildung, die professionell Hanf anbauen. Die Weiterbildung sei nicht auf den pharmazeutischen Bereich beschränkt, sondern für vielfältige Einsatzbereiche ausgelegt, erklärt Cigale. Etwa im Agrarbereich oder eben auch für den Einsatz in einem Cannabis Clubs.

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Gesetzliche Anforderungen unbekannt

Das Problem dabei: Bisher gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für künftige Mitarbeiter der Cannabis Clubs. Cigale erklärt dazu, die Ausbildungsinhalte würden gewährleisten, dass die Teilnehmenden grundlegende Kenntnisse in der Aufzucht der Pflanzen erwerben. „Ob das dann das Wissen ist, das für die Cannabis Clubs benötigt wird, werden wir danach anpassen.“ Es gebe bestimmte Lehrinhalte, die Wissen in der Branche vermitteln, „und diese bilden wir aus“, sagt Cigale.

Die Landwirtschaftskammer bestätigt auf Nachfrage die Kooperation, bremst aber die Ambitionen. „Wir haben noch keine festen Räumlichkeiten und keine Pflanzen vor Ort“, sagt Vinzenz Winter, Leiter des Bildungszentrums Gartenbau und Landwirtschaft in Münster. Bisher habe man nur eine Absichtserklärung unterzeichnet.

An die Teilnehmenden würden hohe Anforderungen gestellt. So müsse jeder und jede schriftlich versichern, das erworbene Wissen nicht widerrechtlich zu nutzen. Auch die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses sei als Bedingung möglich, erklärt Winter. Ein Beginn des Lehrgangs sei nach den Sommerferien im Herbst denkbar.

Ein weiteres Unternehmen, das sich der Ausbildung in der Cannabisbranche verschrieben hat, ist die 2021 gegründete Cannabis Akademie. Das private Unternehmen bietet Onlineseminare an und behauptet von sich, Deutschlands erste Cannabisfachakademie zu sein.

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In neun unterschiedlichen Onlinekursen sollen Inhalte gelehrt werden, die für die Cannabisindustrie relevant sind. Von „Cannabis-Medizin“ und „Cannabis-Recht“ über „Budtender/Cannabis Sommelier“ und „Grower – Anbau und Zucht“. Laut der Webseite ist die Teilnahme an den Kursen „die einzige Möglichkeit in Deutschland, ein Zertifikat über tiefgehende Kenntnisse in den verschiedensten Wissensgebieten der Cannabisindustrie zu erhalten“.

Die mehrwöchigen Kurse kosten zwischen 159 und 499 Euro. Wer die Webseite der Cannabis Akademie aufruft, sieht zunächst eine Cannabispflanze in Streifen nach einander von oben in das Bild fallen. Dann ploppt eine Schrift auf: „Du bist ein echter Gras-Experte und kannst andere beraten?“ – „Dann solltest du Budtender (Anm.: Cannabisfachverkäufer) werden und mit deiner Passion Geld verdienen“.

Zertifikate noch nicht anerkannt – ändert sich das?

Auch dieses Ausbildungsangebot hat keine gesetzliche Grundlage, die Zertifikate der Cannabis Akademie sind nicht staatlich anerkannt. Und ob sie mit der Legalisierung anerkannt werden, ist mindestens fraglich.

Sascha Kramer ist Gründer der Cannabis Akademie und zuversichtlich, „dass die Absolventen am Ende ein anerkanntes Zertifikat vorzeigen werden können“. Allerdings räumt er ein: „Zum Abschluss ist noch keiner gekommen.“ Denn für die Durchführung der mündlichen Abschlussprüfung ist die IHK zuständig, eine Prüfungsordnung gibt es noch nicht. „Da warten wir noch auf gesetzliche Vorgaben“, sagt Kramer.

Wir sind keine Kiffergruppe, sondern Akademiker.

Sascha Kramer,

Gründer der Cannabis Akademie

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Dennoch ist ihm wichtig zu betonen: „Wir sind keine Kiffergruppe, sondern 13 Akademiker, die sich in ihrem jeweiligen Bereich Expertenwissen angeeignet haben.“ Unter den Dozenten (und einer Dozentin) gibt es unter anderem einen Gemüsebauern, einen Arzt, zwei Apotheker und mehrere Anwälte. Die vermittelten Inhalte seien „so tief“, sagt Kramer, da könne keiner mehr sagen, dass da in der Ausbildung etwas fehle.

Heinrich Wieker, der Hanfmaschinenbastler aus Niedersachsen, hat alle Onlineseminare der Cannabis Akademie absolviert und sich so den Titel „Master of Cannabis Industry (MCI)“ gesichert – nur eben ohne anerkannten Abschluss. Die Inhalte der Kurse seien gut zusammengefasst und strukturiert, sagt er. Aber das Wissen über Cannabis habe er sich ohnehin bereits vorher selbst angeeignet, durch seine Arbeit in der Industrie und sein Netzwerk.

Sein Ziel sei es, Cannabisfachpersonal künftig selbst in seinen Cannabis Clubs auszubilden. Doch zunächst möchte er die gesetzlichen Anforderungen an das künftige Personal abwarten. „Ich will nicht, dass jemand das finanzielle Risiko eingeht, eine Ausbildung abzuschließen, die nicht anerkannt wird“, sagt er. Die Kosten für die Seminare bei der Cannabis Akademie habe er auf seine „eigene Kappe“ genommen. Inhaltlich habe er sie nicht unbedingt gebraucht.

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