Porträt der Aktivistin Nan Goldin

Schmerz und Zorn: der Venedig-Siegerfilm „All the Beauty and the Bloodshed“

Mit Pillendosen im Museum: Die Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin in einer Szenes des Dokumentarfilms „All the Beauty and the Bloodshed".

Mit Pillendosen im Museum: Die Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin in einer Szenes des Dokumentarfilms „All the Beauty and the Bloodshed".

Normale Museums­besucher sind das nicht. Das Grüpplein wirkt nervös. Es scheint etwas zu planen im New Yorker Metropolitan Museum. Und tatsächlich: Plötzlich holen die Besucherinnen und Besucher beutelweise Medizindosen hervor und bombardieren mit den Plastik­behältern das schicke Wasserbassin. Gemeinsam skandieren sie: „Sacklers lie – People die“. Andere Gäste schauen interessiert. Die Museums­wärter versuchen kaum, die Aktion zu unterbinden.

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Was wir da in Laura Poitras’ Dokumentarfilm „All the Beauty and the Bloodshed“ (All die Schönheit und das Blutvergießen) beobachten, ist eine Szene des jahrelangen Kampfs von Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Pharma- und Mäzenaten­familie Sackler. An vorderster Front: Fotografin Nan Goldin, angetrieben von ihren eigenen bitteren Erfahrungen.

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Nach einer Operation am Handgelenk wurde Goldin das Medikament Oxycontin verschrieben. Was sie und Millionen andere Amerikaner nicht wussten: Das Schmerzmittel der Firma Purdue Pharma macht abhängig. Hundert­tausende sind schon gestorben. Die Familie Sackler verdiente Milliarden und spendete großzügig an renommierte Museen wie die Tate Modern oder den Louvre. Diese stellten den Namen Sackler groß heraus oder benannten schon mal einen ganzen Museumstrakt nach der Familie.

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Eine fein ausbalancierte Doku

In ihrer Oscardoku „Citizenfour“ (2014) erzählte die unerschrockene US-Regisseurin Poitras hautnah von den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden, in „Risk“ (2016) von Wikileaks-Begründer Julian Assange. Nun zeichnet sie den Protest gegen die mit Menschenleben erkaufte Großzügigkeit der Sacklers nach.

Poitras tut aber noch mehr: Sie porträtiert zugleich das Leben der 1953 in Washington geborenen Künstlerin Goldin, die in ihre Arbeit stets ihr eigenes Leben einbezieht. In den Achtzigern bot Goldin dem Transvestiten­milieu New Yorks eine Bühne. Sie fotografierte Schwule, Transmenschen, Prostituierte. Berühmt wurde sie mit der Diashow „Die Ballade von der sexuellen Abhängigkeit“ und Schnappschüssen von Freunden und Bekannten. Goldin trug dazu bei, die LGBT-Szene zu entstigmatisieren.

So trifft Privates in dieser Doku auf Öffentliches, Stilles auf Lautes, Schweigen auf Schreie. Die Regisseurin spürt auch dem Suizid von Goldins Schwester im Teenageralter nach – daher rührt der Filmtitel. Goldin erzählt oft aus dem Off, wir sehen ihre Arbeiten. Viel persönlicher geht es nicht.

Einmal rücken die Sacklers ins Bild: In einer Videorunde – offenbar in Pandemiezeiten – müssen sie bei einer Anhörung den Anklagen von überlebenden Opfern und von Angehörigen lauschen.

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So ist eine fein ausbalancierte Doku entstanden. Das erkannte auch das Filmfestival Venedig: Poit­ras gewann im vorigen September gegen eine Übermacht von Spielfilmen den Goldenen Löwen. Der Name Sackler ist inzwischen aus den Museen getilgt.

„All the Beauty and the Bloodshed“, Regie: Laura Poitras; 127 Minuten, FSK 12.

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