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Weniger arbeiten bei gleichem Gehalt – kann das gut gehen?

Ärzte stehen bei einem eintägigen Warnstreik des Marburger Bundes an der Berliner Charité mit Schildern mit der Aufschrift "Charité come in and Burnout" und "4 Tage Woche?" (Archivfoto)

Reduzierte Arbeitszeit – die Lösung für all unsere Probleme? Ärztinnen und Ärzte stehen bei einem eintägigen Warnstreik des Marburger Bundes an der Berliner Charité mit Schildern mit der Aufschrift „Charité come in and burn out“ und „4-Tage-Woche?“.

Liebe Leserinnen und Leser,

als Mutter von zwei inzwischen gar nicht mehr so kleinen Kindern, habe ich lange nicht in Vollzeit gearbeitet – wie so viele andere Frauen auch. Zwar haben sich meine 80 Prozent nie wie Teilzeit angefühlt, dennoch hat mir der zusätzliche „freie“ Tag, beziehungsweise die 32‑Stunden-Woche, einiges an vermeintlicher Freiheit beschert. Ich konnte mich mehr um die Dinge kümmern, die oft eben auch Arbeit sind, aber weder entlohnt werden noch großartig Wertschätzung erfahren. Den Haushalt, Hausaufgaben, kleine und große Sorgen – einfach eben darum, den Laden zusammenzuhalten, der sich Familie nennt.

Sie können sich sicher vorstellen, dass ich die aktuelle Debatte um die Viertagewoche schon allein deshalb mit großem Interesse verfolge. Eine britische Studie hatte kürzlich sensationell positive Ergebnisse zur verkürzten Arbeitszeit erbracht. Knapp 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 61 Firmen hatten dafür sechs Monate lang die Viertagewoche getestet. Das Ergebnis: Die Kollegen und Kolleginnen sind gesünder, zufriedener und produktiver.

„Eine gesunde Work-Life-Balance ist kein Instagram-Trend. Sie ist eine Voraussetzung fürs Menschsein an sich“, schreibt mein Kollege Imre Grimm in unserer Debatte der Woche, die sich um jene Studie und den Sinn und Unsinn einer Viertagewoche dreht.

Ein Modell zur Lösung des Fachkräftemangels?

Er spricht mir damit aus der Seele, denn, so schreibt er weiter: „Es geht auch um Zeit und Energie für Ehrenämter, für Vereinsarbeit, Sport, Pflege von Angehörigen, Kindererziehung und ‑betreuung. Alles Bereiche, die am Ende dem Wohl des Landes insgesamt nutzen und in denen der Staat an seine Grenzen gerät. Die Viertagewoche wäre in diesem suchenden, mit sich hadernden, erschöpften, überregulierten, an Bürokratie erstickenden Land ein großer Wurf zur Gesellschaftserneuerung.“

Und zur Gleichberechtigung obendrein, denn dann wäre die sogenannte Care-Arbeit, von der ich oben sprach, nicht nur Sache der oftmals teilzeitarbeitenden Frauen, sondern eben ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Vielleicht könnte dieses Arbeitsmodell sogar die Antwort auf den Fachkräftemangel sein, denn der hängt irgendwie auch mit der Care-Krise zusammen, wie meine Kollegin Kira von der Brelie anlässlich des heutigen Weltfrauentages schreibt (+).

Warum nicht die Arbeitszeit für alle reduzieren?

„Ja, aber ...“ werden nun einige Skeptiker denken. Mein Kollege Andreas Niesmann gehört auch dazu. Das klingt „zu schön, um wahr zu sein“, schreibt er in eben jener Debatte mit dem Kollegen Grimm und zeigt in drei Punkten auf, warum die Viertagewoche eben kein Modell für alle ist: „Erstens betrachtet es nur die betriebliche Ebene, nicht aber die volkswirt­schaft­lichen Folgen. Zweitens ist die Übertragbarkeit der vor allem im Dienstleistungssektor gewonnenen Ergebnisse nur eingeschränkt möglich. Und drittens handelt es sich eben um ein Experiment.“

Ich denke, die Wahrheit liegt – wie so oft – in der Mitte. Vielleicht ist es nicht die Viertage­woche, aber das Interesse und der Bedarf an reduzierter Arbeitszeit, die sich dahinter verbergen, sind aktuell extrem hoch. Die Gründe hat mein Kollege Imre Grimm aufgezählt. Warum also kann eine 32‑Stunden-Woche nicht das neue Normal (Vollzeit) bei gleicher Bezahlung sein – meinetwegen dann auch auf fünf Tage verteilt? Viele Menschen, mutmaßlich (sehr gut ausgebildete) Frauen, wären dann vielleicht auch wieder mit im Boot, weil der Spagat zwischen Familie und Arbeit dann eben doch etwas einfacher ist. Die Unterscheidung zwischen den Leistungsträgern dieser Gesellschaft und eben jenen, die „nur“ in Teilzeit arbeiten, weil eben irgendwer auch die viel zu gering geschätzte Care-Arbeit wegschaffen muss, wäre hinfällig. Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke. Und Sie?

Sie haben Anmerkungen und Fragen? Schreiben Sie uns gern an [email protected]!

Ihre

Carolin Burchardt

 

Tipp der Woche

Wer täglich mehrmals an einer Tankstelle vorbeifährt, wird dort aktuelle große Preissprünge für den Sprit feststellen, vor allem für Diesel. „Das ist blankes Kalkül: Die Mineralöl­konzerne versuchen, mit den häufigen Preissprüngen ihren Gewinn anzukurbeln“, informiert der ADAC. Das bedeutet: Zu Zeiten, in denen viele Menschen in ihren Autos unterwegs sind, steigen die Preise. Wenn sich die Verkehrslage wieder beruhigt, sinken auch wieder die Preise, hält mein Kollege Ben Kendal fest.

Blick auf mehrere Zapfsäulen einer Tankstelle.

Vor allem morgens, wenn viele Menschen mit ihren Autos zum Arbeitsplatz unterwegs sind, steigen die Spritpreise. Gen Abend sinken sie wieder.

Grundsätzlich gilt also: Kraftstoff ist morgens am teuersten – ausgerechnet dann, wenn viele Menschen zur Arbeit fahren. Der Preis erreicht kurz nach 7 Uhr seinen Höhepunkt, wie aus einer im Juli 2022 durchgeführten ADAC-Untersuchung an 14.000 Tankstellen in Deutschland hervorgeht. Im Tagesverlauf schwanken die Preise stark, bis sie abends einen Tiefpunkt erreichen. Dieser liegt meist zwischen 20 Uhr und 22 Uhr, aber auch der Zeitraum zwischen 18 und 19 Uhr ist verhältnismäßig günstig.

 

Zahlen, bitte!

Für die Gender-Pay-Gap gibt es eine Erklärung, sie sei keine Diskriminierung lautet einer von diversen Mythen rund um die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Aber stimmt das auch? Laut meiner Kollegin Vivien Valentiner lautet die richtige Antwort darauf „Jein!“. Frauen haben im Jahr 2022 in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger pro Stunde verdient als Männer. Diese sogenannte unbereinigte Gender-Pay-Gap hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Unbereinigt heißt, dass Gründe wie Teilzeitarbeit, weniger Führungs­positionen, Betriebsjahre oder generell schlechter bezahlte Berufswahl nicht berück­sichtigt werden.

Wird dieser Wert aber um mögliche Erklärungen bereinigt, liegt er immer noch bei 7 Prozent. Frauen verdienen demnach im Durchschnitt 7 Prozent weniger als ihre Kollegen – trotz vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie. Für diese Gehaltsunterschiede gibt es also andere Gründe. Welchen weiteren Mythen es rund um die Gender-Pay-Gap gibt, erfahren Sie hier.

 

Gut zu wissen

 

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Die gute Nachricht

Um Mitarbeitende in schwierigen Lebensphasen besser unterstützen zu können, ermöglicht der Lebensmittelkonzern Kellogg seinen Beschäftigten einem Bericht zufolge zusätzlich zum Urlaub Rückzugsmöglichkeiten. Der Konzern spricht von einem „Recht auf Rückzug“, wie der Bremer „Weser-Kurier“ zuerst berichtete. „In lebensverändernden Situationen dürfen sich bei uns jetzt Mitarbeitende eine Auszeit zur seelischen und körperlichen Genesung nehmen“, wird Personalchefin Daniela Cocirta zitiert. Bisher fehle es hierzulande an solchen Ansprüchen. Im Fall von Kellogg bedeutet das konkret, dass zum Beispiel Beschäftigte, die ein Baby verloren haben, Anspruch auf zwei Wochen Auszeit bei voller Bezahlung haben. Ein ärztlicher Nachweis sei dafür nicht nötig.

Der Umfrage zufolge hat vor allem ein schlechtes Arbeitsklima negative Effekte für das mentale Wohlbefinden.

Für das Wohlbefinden: Kellogg bietet seinen Arbeitnehmenden Rückzugsräume in herausfordernden Lebenssituationen.

Für Frauen in den Wechseljahren sollen Rückzugsräume geschaffen werden. Eingriffe für eine Geschlechtsangleichung will Kellogg wie andere Arzttermine betrachten. Wer einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hat, soll für die Behandlung Urlaubstage bekommen.

 

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