Die Rennmaschinen unter den E-Bikes: zwei S-Pedelecs im Test
Autor Sebastian Hoff testet S-Pedelecs.
© Quelle: Hoff
20 Kilometer oder mehr sind für viele Menschen zu weit, um die Strecke regelmäßig mit dem Fahrrad zurückzulegen – selbst wenn es motorisiert ist. Denn mit einem normalen E-Bike dauert eine Fahrt immer noch mindestens eine Stunde. Der Zeit- und Kraftaufwand lässt sich aber halbieren: Speed-Pedelecs unterstützen bis 45 km/h und sind deshalb vor allem für Pendlerinnen und Pendler interessant.
Anders als in Ländern wie der Schweiz oder Belgien handelt es sich in Deutschland bei den S-Pedelecs allerdings noch um ein absolutes Nischenprodukt: Gerade einmal rund ein Prozent beträgt ihr Marktanteil bei den Elektrorädern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass S-Pedelecs straßenverkehrsrechtlich als Kleinkrafträder eingestuft werden, eine Sondergenehmigung benötigen und ein Versicherungskennzeichen tragen müssen. Außerdem ist mindestens ein Führerschein der Klasse AM erforderlich und es besteht Helmpflicht.
S-Pedelecs dürfen nicht auf Radwegen fahren
Besonders problematisch ist, dass S-Pedelecs nicht auf Radwegen gefahren werden dürfen. Außerorts müssen sich Radfahrerinnen und -fahrer die Straße mit dem normalen Kfz-Verkehr teilen, der dort mit hohen Geschwindigkeiten an ihnen vorbeirast – längst nicht immer im vorgeschriebenen Abstand. Deshalb wird vielfach die Forderung nach einer Freigabe von Radwegen laut. Markus Riese vom Hersteller Riese & Müller etwa weist darauf hin, dass gerade Radschnellwege dafür konzipiert seien, um mit dem Fahrrad auf längeren Distanzen schnell von A nach B zu kommen. Die Stadt Tübingen hat inzwischen reagiert und ein ganzes Netz von Fuß- und Radwegen für S-Pedelecs freigegeben.
Kennzeichen - was spricht dafür und was dagegen?
Immer wieder wird der Ruf nach Kennzeichen für Fahrräder laut. Befürworter versprechen sich davon, dass Fehlverhalten besser geahndet werden kann. Die Angst vor Strafen könnte Radfahrerinnen und Radfahrer zudem dazu bewegen, die Verkehrsregeln konsequenter einzuhalten. Ausgemusterte und wild entsorgte Fahrräder könnten den Besitzerinnen und Besitzern leicht zugeordnet werden. Gegen eine Kennzeichenpflicht spricht insbesondere der bürokratische Aufwand: Mehr als 80 Millionen Fahrräder müssten registriert werden. Angesichts von Preisen von unter 100 Euro etwa bei Gebrauchträdern stünden die Kosten für eine An- oder Ummeldung in keinem Verhältnis. Völlig ungeklärt wäre auch die Frage, wo und wie die Kennzeichen angebracht werden sollen. Das gilt insbesondere für Mountainbikes und Rennräder. Und was wäre mit Kinderfahrrädern? Benötigten diese ebenfalls ein Kennzeichen? Befürchtet wird zudem, dass eine Kennzeichnungspflicht die Verkehrswende konterkariert.
„Die innovativen S-Pedelecs werden in Deutschland regelrecht ausgebremst“, kritisiert David Pulvermüller, Geschäftsführer des Herstellers HP Velotechnik. Immerhin: Die Speedmachine des Unternehmens ist das erste S-Pedelec, das in Deutschland eine Typengenehmigung erhalten hat. Damit darf das Rad nun in alle EU-Staaten sowie die Schweiz verkauft werden, ohne dass jeweils eine TÜV-Zulassung erforderlich ist.
Speedmachine von HP Velotechnik im Test
Im Test macht das einspurige Liegerad seinem Namen alle Ehre: In wenigen Sekunden beschleunigt es auf über 40 km/h. Die hohe Geschwindigkeit kann unter anderem dank der guten Aerodynamik ohne große Anstrengung auch längere Zeit gehalten werden. In der Stadt ist es daher kein Problem, im normalen Straßenverkehr mitzuschwimmen. Allerdings scheint das Tempo für Autofahrerinnen und -fahrer gewöhnungsbedürftig zu sein: Sie überholen auch dann noch, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit erreicht ist. Vor allem außerorts wird man per Hupe darauf hingewiesen, dass das S-Pedelec gefälligst auf den Radweg gehört – wo es gar nicht fahren darf.
Speedmachine von HP Velotechnik im Test
S-Pedelecs ermöglichen Radfahren in einer neuen Tempodimension, kämpfen hierzulande aber noch um Anerkennung.
© Quelle: Sebastian Hoff
Auf wenig befahrenen Straßen gerät man mit dem S-Pedelec hingegen regelrecht in einen Flow: Bequem im Schalensitz sitzend und voll gefedert gleitet die Landschaft an der Fahrerin oder dem Fahrer sanft vorbei, der Fahrtwind rauscht um den Helm und die Kilometer schmelzen nur so dahin. Mit kräftiger Unterstützung des Nabenmotors Z20 RS von Neodrivces werden auch Steigungen quasi eingeebnet. Allerdings heißt es bei längeren Fahrten aufpassen: Denn dem Akku geht trotz seiner 65 Liter Wattstunden relativ schnell die Luft aus. Bei mittlerer Unterstützung beträgt die Reichweite im welligen Gelände etwa 60 Kilometer. Und ohne Motor ist das Fahren kraftraubend.
Die Speedmachine ist ein technisch ausgereiftes Liegerad mit großen Komforteigenschaften: Dazu zählen die 21-Gang-Nabenschaltung, der Aerolenker, die hydraulischen Scheibenbremsen, Farbdisplay mit Touchscreen sowie eine starke Beleuchtung, die während der Fahrt angeschaltet sein muss. Das Rad besitzt darüber hinaus einen Rückspiegel sowie einen Gepäckträger, an den zwei Satteltaschen befestigt werden können. Die Kette kann auf die individuelle Beinlänge eingestellt werden. All das hat seinen Preis: Im Handel kostet die Speedmachine ab 8690 Euro.
Wer noch nie ein einspuriges Liegerad gefahren ist, sollte viel Übungszeit einplanen. Denn schon das Anfahren ist eine Herausforderung, vor allem wenn es leicht bergauf geht. Die ersten Meter im langsamen Tempo werden zudem oft zur Schlingerfahrt. Zwar hat die Speedmachine einen tiefen Schwerpunkt, was ihr Stabilität verleiht, aber starke Windböen können das Rad bei hohem Tempo aus der Spur bringen. Bei 45 km/h eine Hand vom Lenker zu nehmen, um mit ausgetrecktem Arm aufs Abbiegen hinzuweisen, ist auch nicht ohne. Ein Blinker wäre eine sinnvolle Ergänzung für das Rad. In Kurven muss zudem ein vergleichsweise hoher Radius eingerechnet werden. Und wenn das Rad zum Stehen kommt, sind die fast 30 Kilogramm Eigengewicht nicht leicht zu halten.
Homage von Riese und Müller im Test
Ähnlich schwer vom Gewicht, aber deutlich leichter zu händeln ist das S-Pedelec Homage von Riese & Müller. Es fährt sich wie ein Moped – nur ohne Knattern und Gestank. Vollfederung, Magura-Scheibenbremsen mit ABS und stufenlose Nabenschaltung stehen für technisches High-End. Der 625 Wattstunden-Motor PowerTube von Bosch leistet kräftig Schub, ohne Unterstützung ist das Fahrrad aber nur schwer von der Stelle zu bewegen. Im Eco-Betrieb beträgt die Reichweite des Akkus bis zu 160 Kilometer, im Tour-Modus ist es deutlich weniger. Geschwindigkeiten jenseits der 40 km/h sind dauerhaft nur im Sport-Modus zu erreichen.
S-Pedelec Riese & Müller
© Quelle: www.r-m.de/pd-f
Das Homage ist ein Rad der Oberklasse, was sich auch im Preis ausdrückt. Der beläuft sich auf ab 6499 Euro. Dafür erhält man ein ebenso alltagstaugliches wie durchdesigntes S-Pedelec, mit dem auch längere Strecken bequem und schnell zurückgelegt werden können.